In Österreich wurde Anfang 2023 ein neuer Angehörigenbonus, auch bekannt als Pflegebonus, eingeführt. Ziel dieses staatlichen Bonusprogramms ist es, die finanzielle Belastung pflegender Angehöriger zu verringern. Dieser Bonus berücksichtigt die Herausforderungen der Pflege zu Hause, die oft eine 24-Stunden-Betreuung erfordert und zu erheblichem Zeitverlust, sozialer Isolation und emotionaler Belastung führen kann. Heldyn unterstützt pflegende Angehörige durch Angebote wie Pflegegeldberatung und stundenweise Entlastung, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Der Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Anspruchsvoraussetzungen, Auszahlungsmodalitäten und Höhe des Angehörigenbonus sowie die geäußerte Kritik an diesem Programm.
Der Angehörigenbonus (“Pflegebonus”) der Bundesregierung Österreichs wurde im Rahmen der umfangreichen Pflegegeldreform mit 1. Jänner 2023 eingeführt. Die Ausbezahlung erfolgt ab 1. Juli 2023 in Form monatlicher Teilbeträge an jene pflegende Angehörige, welche die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
Die Ankündigung des neuen Angehörigenbonus wirft allerdings noch viele Fragen auf: Warum wurde der Angehörigenbonus ins Leben gerufen? Wer hat Anspruch auf den Bonus? Wie hoch fällt er aus? Was wird daran kritisiert? Diesen wichtigen Punkten gehen wir in diesem Beitrag für Sie auf den Grund.
Warum gibt es den Angehörigenbonus?
Pflegende Angehörige bilden in vielen Ländern nach wie vor die unverzichtbare Basis des Pflege- und Betreuungssystems. Allein in Österreich werden 80% der pflegebedürftigen Personen von deren Angehörigen daheim betreut (AK Tirol, 10.05.2023). Die Bevölkerung wird zudem immer älter, was das Thema Pflege – insbesondere in den eigenen vier Wänden – in den kommenden Jahren noch mehr Relevanz zumessen wird. Ein Großteil der Pflegearbeit zu Hause machen hierbei laut Ingrid Korosec, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, Pensionisten aus (ÖSB, 2023).
Dabei ist die Pflege in der häuslichen Umgebung für viele Angehörige mit zahlreichen Herausforderungen in deren täglichen Leben verbunden.
Hoch oben in der Liste steht die zeitliche Belastung. Die Pflege eines Angehörigen erfordert in der Regel eine rund um die Uhr Betreuung, insbesondere bei schwerer Pflegebedürftigkeit. Die pflegende Person muss seine eigene Zeit und eigenen Bedürfnisse oft hintenanstellen, um die Pflege des Pflegebedürftigen sicherzustellen. Dies kann zu einem erheblichen Verlust an Freizeit, sozialen Kontakten und persönlicher Entlastung führen.
Zudem kann die emotionale Belastung der Pflege, wie der Umgang mit dem Leiden des Pflegebedürftigen, das Zeugen von Veränderungen im Gesundheitszustand und mögliche Konflikte innerhalb der Familie, zu Stress, Angst und Depression beim pflegenden Angehörigen führen.
Eine weitere Herausforderung ist die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Viele pflegende Angehörige müssen ihre berufliche Tätigkeit reduzieren oder in schweren Fällen sogar aufgeben, um die Pflege eines Pflegebedürftigen zu übernehmen. Dies kann zu finanziellen Schwierigkeiten und Unsicherheiten führen. Zudem kann der Verlust des beruflichen Kontakts und der Karriereentwicklung auch langfristige Auswirkungen auf den pflegenden Angehörigen haben.
Zusätzlich können Schwierigkeiten bei der Organisation und Koordination der Pflegeleistungen auftreten. Der pflegende Angehörige muss möglicherweise verschiedene Dienstleister, medizinische Fachkräfte und Versicherungen koordinieren und die Pflegebedürfnisse des Pflegebedürftigen verwalten. Dies erfordert Zeit, Kommunikation und Kenntnisse über das Pflegesystem, was für viele Angehörige eine neue und komplexe Aufgabe ist.
In Anbetracht dieser Herausforderungen dient die Einführung des Angehörigenbonus als ein (erster) Ansatz der Bundesregierung, betroffene Familien auf finanziellem Wege zu entlasten.
Wer hat Anspruch auf den Angehörigenbonus?
Der Angehörigenbonus in der Pflege, auch als Pflegebonus bezeichnet, konnte bis vor Kurzem von ca. 55.000 Personen beansprucht werden (OTS, 11.05.2023). Bezugsberechtigt waren zunächst ausschließlich Personen, die nahe Angehörige, denen zumindest Pflegegeld der Stufe 4 gebührt, in häuslicher Umgebung pflegen.
Mit der Ausweitung des Empfängerkreises des Bonus noch vor Beginn der ersten Auszahlung (01. Juli 2023) wurde – unabhängig von der Erhöhung des Erschwerniszuschlags – die Anzahl der Anspruchsberechtigten schlagartig auf 80.000 angehoben (OTS, 11.05.2023). Grund für diesen starken Anstieg ist die neuerliche Miteinbeziehung pflegender Angehörige, die zwar nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Pflegebedürftigen leben (= getrennte Haushalte) aber bestimmte andere Voraussetzungen (z.B. geringes Durchschnittseinkommen) erfüllen.
Infolgedessen unterscheidet man somit ab sofort zwischen zwei Varianten der Ausbezahlung des Angehörigenbonus, bei denen unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen (AK Tirol, 10.05.2023):
Erste Variante der Ausbezahlung: Selbst- bzw. Weiterversicherung
- Die Person pflegt einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung.
- Der/die nahe Angehörige der pflegenden Person hat mindestens Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 4.
- Die Person hat sich aufgrund der Pflege in der Pensionsversicherung begünstigt selbst- bzw. Weiterversichert.
Die Ausbezahlung des Angehörigenbonus erfolgt (unter Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen) ab 1. Juli 2023 von Amts wegen durch die für die Selbst- bzw. Weiterversicherung zuständige Pensionsversicherungsanstalt in monatlichen Teilbeträgen.
Zweite Variante der Ausbezahlung: Einkommen (z.B. Pensionist:innen)
- Die Person pflegt einen nahen Angehörigen seit mindestens einem Jahr überwiegend im gemeinsamen Haushalt.
- Der/die nahe Angehörige der pflegenden Person hat mindestens Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 4.
- Die pflegende Person hat ein monatliches Netto-Jahresdurchschnittseinkommen von maximal 1.500 Euro.
- Der Anspruch auf einen Angehörigenbonus aufgrund einer Selbst- oder Weiterversicherung liegt nicht vor.
Die Ausbezahlung des Angehörigenbonus erfolgt (unter Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen) ab 1. Juli 2023 auf Antrag in monatlichen Teilbeträgen.
Wie hoch fällt der Angehörigenbonus aus?
Der Antrag zur Ausweitung des Angehörigenbonus wurde am 11. Mai 2023 im Sozialausschluss des Parlaments beschlossen. Es werden somit im Jahr 2023 ca. 16,8 Millionen Euro und im Jahr 2024 ca. 33,5 Millionen Euro für den Angehörigenbonus in der Pflege bereitgestellt (OTS, 11.05.2023).
Da der Bonus im kommenden Juli erstmals ausbezahlt wird, beträgt die anteilige Hälfte des Betrags 750 EUR pro Person für das gesamte Kalenderjahr 2023. Im Kalenderjahr 2024 werden anschließend 1.500 EUR pro Person ausgezahlt. Ab dem Jahr 2025 ist geplant, den Betrag jährlich mit der Inflationsrate anzupassen. Die Auszahlung des Bonus erfolgt in monatlichen Teilbeträgen.
Welche Kritikpunkte werden gegenüber dem Angehörigenbonus ausgesprochen?
Kritik am Ansatz
Abgelehnt wurde die Gesetzesnovelle von SPÖ und NEOS. Diese kritisierten den zugrunde liegenden Ansatz des Angehörigenbonus und plädierten stattdessen für den Ausbau der mobilen Pflege in Österreich. Diese sollte eine sinnvollere Entlastung der pflegenden Angehörigen darstellen (Parlamentskorrespondenz Nr. 520 vom 11.05.2023).
Kritik am Bonusbetrag
Bricht man die festgesetzte Bonussumme von 1.500 Euro im Jahr auf die einzelnen Tage im Jahr auf, so erhält jeder pflegende Angehörige etwas über 4 Euro pro Tag. Dieser geringe Geldbetrag kann weder den täglichen Aufwand des Angehörigen noch die Kosten einer Ersatzpflege (z.B. in Form einer mobilen Pflege) tragen.
Kritik an den Anspruchsvoraussetzungen
Kritisiert werden vom Pensionistenverband Österreichs (PVÖ) neben dem unzureichenden Bonusbetrag auch die Anspruchsvoraussetzungen zum Erhalt des Bonus. Der PVÖ fordert eine Abstufung der vorausgesetzten Pflegestufe der Pflegebedürftigen von Stufe 4 auf Stufe 3. Ab Stufe 4 befinden sich laut Aussagen der PVÖ viele Personen bereits in einer stationären Pflegeeinrichtung und nicht mehr im eigenen Haushalt.
Kritik am Beantragungsprozess
Auch bei der Beantragung des Angehörigenbonus gibt es noch zahlreiche Hürden. So kritisierte der PVÖ den Mangel an verfügbarer Information und Unterstützung bei der Beantragung des Bonus. Sinnvoll wäre laut PVÖ die Einleitung einer Informationsoffensive und die Einstellung einer Pflegetelefon-Hotline, die u.a. bei Fragen zum Bonus kontaktiert werden kann.
Quellen
AK Tirol (2023, 10. Mai): Angehörigenbonus für Pflege daheim wird ab 1.Juli in 2 Varianten ausbezahlt. URL: https://tirol.arbeiterkammer.at/angehoerigenbonus [25.05.2023].
APA-OTS (2023, 11. Mai): 50 Millionen Euro zusätzlich für Angehörigenbonus in der Pflege (OTS0164). URL: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230511_OTS0164/50-millionen-euro-zusaetzlich-fuer-angehoerigenbonus-in-der-pflege [25.05.2023].
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (2023, 25. April): Betroffene und Angehörige in der Pflege. URL: https://www.sozialministerium.at/Themen/Pflege/Pflegereform/Betroffene-und-Angehoerige-in-der-Pflege.html [25.05.2023].
Korosec, Ingrid (2023): Ab 1.7.2023. Bis zu 1.500 Euro Pflegebonus auch für pflegende Angehörige in Pension. URL: https://www.seniorenbund.at/thema-der-woche/pflege/angehoerigenbonus/page [25.05.2023].
Parlament Österreich (2023, 11. Mai): Geplanter Pflegebonus wird pflegenden Angehörigen auch bei getrennten Haushalten zustehen (Parlamentskorrespondenz Nr. 520). URL: https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk0520 [25.05.2023].
Pensionistenverband Österreichs (2023, 15. Februar): Angehörigenbonus. Fakten, Fragen, Kritikpunkte. URL: https://pvoe.at/salzburg/themen/aktuelles/news/detail/angehoerigenbonus-die-wichtigsten-fragen/ [25.05.2023].
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